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Shouldn´t be gone!
„SHOULDN’T BE GONE“
Zum plastischen Wechselspiel von H2O und CO2
Der prognostizierte Klimawandel spielt für die weltweite Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung eine immer wichtigere Rolle. Von einer beeinträchtigten Lebenssituation für Mensch, Flora und Fauna kann schon heute ausgegangen werden, wie die Auswirkungen
überall in der Welt zeigen: Eine weltweite Zunahme von Tsunamis, ein größeres Aufkommen von Hurricanes, Versteppung von einstmals blühenden Landschaften, ein massiv abgesenkter Grundwasserspiegel, das Verschwinden der Gletscher oder Austrocknen von Wasserfällen – die Schlagzeilen füllen die Medien weltweit und die statistischen Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Stecken wir bereits in der Apokalypse, ohne den Untergang der Welt zu bemerken? „Shouldn’t be gone!“ oder „Es sollte nicht verschwinden“ kann in der aktuellen Ausstellung Anna Bogouchevskaias als der warnende Fingerzeig einer Künstlerin verstanden werden, die ihr plastisches Werk heute schon als Mahnmal einer untergehenden Welt erscheinen lässt.
Dabei orientiert sie sich in der Umsetzung ihrer Werke an den
chemischen Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff
mit den resultierenden Molekülen Kohlendioxid (CO2
) und Wasser
(H2
O). Wasser zeigt sie dabei in allen erdenklichen Aggregatzuständen
als Grundlage des Lebens. Zwar ist nur ein Bruchteil von etwa drei
Prozent des weltweit verfügbaren Wassers direkt als Trinkwasser
nutzbar, doch der Rest ist Salzwasser, mit dem unser Ökosystem
einen ständigen Kreislauf von Verdunstung, Niederschlag und
Abfluss schafft, was im Werk von Anna Bogouchevskaia plastisch
aufgegriffen wird. Für das Jahr 2050 wird prognostiziert, dass mit 52
Prozent mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung mit etwa 5 Milliarden
Menschen in Regionen mit einem sogenannten Wasserstress leben
und rund 40 Prozent der Getreideproduktion sowie 45 Prozent des
weltweiten Bruttoinlandsprodukts durch Wassermangel beeinflusst werden. Bogouchevskaia nähert sich in der Umsetzung ihrer
Entwürfe subtil dem Thema und öffnet dabei Assoziationsräume,
auch für ein politisches Umdenken.
Dem Max-Planck-Institut zufolge, tragen Wasserdampf und Wolken zu etwa 70 Prozent zum Treibhauseffekt bei, während CO2
einen
Anteil von etwa 20 bis 30 Prozent daran hat, was es zu einem der
bedeutendsten Treibhausgase macht. CO2
ist die chemische Formel
für das aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehende Molekül als
natürlicher Bestandteil der Luft, dem, in einen weiteren Schwerpunkt, die Künstlerin skulptural Form gibt.
Die von Isabella Mannozzi kuratierte Ausstellung widmet ihr einen hierfür eigens eingerichteten CO2-Raum, der subtil auf die menschlichen Einflüsse verweist, die die Erdatmosphäre unnatürlich stark aufheizen lassen. Die Erwärmung unseres Ökosystems durch den Ausstoß von CO2
zeigt sich in der Wechselwirkung zu H2O letztlich wieder wie in einem Kreislauf der Phänomene und Folgen: Das Abschmelzen der Polkappen und Gletscher sowie ein Anstieg des Wasserspiegels der Ozeane, aber auch ein Tauen der Permafrostböden, die wiederum Treibhausgase freisetzen und zur weiteren Erderwärmung beitragen. Das alles hat auch soziale Folgen, denen der Betrachter ihrer Skulpturen aus überwiegend Neusilber genau in dem Moment begegnet, wenn sich sein Abbild in der Skulptur diffus spiegelt. Warum nur?
Sebastian C. Strenger